Arto Lauri, 2. Interview (14.08.2011) |
Eine neue Art von Denken ist notwendig, wenn die Menschheit weiterleben will.
[ Albert Einstein ]
Dieses Interview mit Arto Lauri wurde am 14.08.2011 in Olkiluoto, Finnland, aufgenommen.
Interviewer: Wir befinden uns hier auf der Insel Olkiluoto. Sie können das Atomkraftwerk sehen, dort ist Reaktor 1 und dort Nummer 2. Wir machen ein Interview mit dem Anti-Atom-Aktivisten Arto Lauri. Sie haben früher für die Nuklearindustrie gearbeitet, würden Sie uns von Ihrem Werdegang dort erzählen?
Arto Lauri: Gern, ich habe über 30 Jahre dort gearbeitet, habe 1977 angefangen. Zu dieser Zeit waren diese Reaktoren noch in Bau. Ich begann als Techniker. Sie begannen damit, uns über Nuklearenergie zu unterrichten. Die Schulungen dauerten über ein Jahr. Die TVO (Finnischer Nuklearkonzern) unterwies uns in die Elektroniksysteme des Kraftwerks. Ich beherrschte all die hunderte von Schalt- und Sicherheitssystemen beider Reaktoren. Ich arbeitete ungefähr 10 Jahre in dieser Position. Ich wechselte dann in das Zugangskontrollsystem. Von 1000 Mitarbeitern wurden 3 dafür ausgewählt.
Interviewer: Wie sind Sie ein Anti-Atom-Aktivist geworden?
Arto Lauri: Ich kannte da diesen 35 Jahre alten Typen, der einmal ein großer Befürworter der Atomenergie war. Eines Tages kam er zu mir und sagte: "Das wird das letzte Mal sein, dass wir uns treffen". Er erzählte mir, dass er während des vergangenen Jahres dreimal Blutkrebs gehabt habe, und seine Zeit jetzt wohl abgelaufen sei. Ich habe -zig Arbeitskollegen verloren, die alle vor der Rente an verschiedensten Krebsarten gestorben sind. Das hat mir die Augen über das System geöffnet.
Interviewer: Gehört die Atomenergie der Vergangenheit an? Was sind die Risiken der Atomenergie?
Arto Lauri: Sie gehört definitiv der Vergangenheit an, das ist Kriegstechnologie der 1940er Jahre. Es gibt keinerlei Positives daran. ABB Atom hat uns gelehrt, dass die Nukleartechnik eine Industrie ist, bei der die Gewinn- und Verlustrechnung bzgl. Energie niemals positiv war. Ab 2008 war sie 5x negativ in bezug auf die Energiebilanz. Was das Risiko betrifft, würde ich den Atommüll nennen. Jede produzierte Kilowattstunde häuft sich in unserer Biosphäre an und lenkt unsere Umwelt in Richtung kritische Masse. Die Nukleartechnik wird ihre Anwender töten, wie Einstein es unmissverständlich aussprach.
Interviewer: Sind Sie auf Ihrem Weg als Aktivist mit Zensur konfrontiert worden? Wie gehen Sie mit Kritik an der Anti-Atom-Bewegung hier in Finnland um?
Arto Lauri [lacht gequält]: Es gibt nichts als Zensur auf diesem Gebiet. Als ich anfing, überreichte mir das Innenministerium eine telefonbuchgroße Notiz, die besagte, dass ich keinerlei vertrauliche Informationen veröffentlichen dürfe. Das Innenministerium untersteht übrigens direkt dem finnischen Geheimdienst.
Interviewer: Hätten Sie weitere Beispiele für Zensur?
Arto Lauri: Ich bin einfach der am meisten verbotene Finne im Internet, ich wurde von zahlreichen Internetforen verbannt und werde von einer speziellen Polizeieinheit überwacht. In Vuojoki gibt es eine spezielle Polizeitruppe, die SUPO's "Karhu"-Truppe, deren einziger Job ist, mich von überall zu verbannen. Von Zeitungen, Fersehen, Internet, überall.
Noch ein Beispiel: Als die Reaktoren noch in Bau waren, wurde ein Betaflare-Bild vom Neutronen-Austritt aus den Reaktoren aufgenommen. Diese 12 Kerle bauten sich vor uns auf und sagten, wir würden verurteilt und entlassen, sollte jemand ein Foto machen. Und das passierte 1978, bis heute kann man dieses Bild nicht finden. Ich habe es nur selbst gesehen. Das war 1978 und bis heute finden Sie dieses Bild nirgends.
Interviewer: Was denken Sie über STUK, die finnische Behörde für Strahlenschutz und Atomare Sicherheit? Erhalten wir angemessene Informationen über Nachteile und Gefahren der Atomenergie?
Arto Lauri [lachend]: "Butcher Laaksonen" (Ex-CEO) ist eines der schlimmsten Scheusale auf finnischer Erde. Sie geben immer Falschinformationen. Das Fernsehen lügt aus Prinzip. Selbst wenn man sie fragen würde, welche Farbe die Anlage hat, würden sie keine aufrichtige Antwort geben. Es ist ihr Prinzip, unentwegt Falschinformationen zu verbreiten. Die Menschen dürfen niemas erfahren, was hier wirklich passiert.
Interviewer: Lassen Sie uns über Fukushima sprechen. Ich habe gelesen, dass einige Quellen behaupten, dass sei die schlimmste Nuklearkatastrophe der Menschheitsgeschichte, möglicherweise sogar 1000mal schlimmer als Tschernobyl. Ist an diesen Behauptungen etwas dran?
Arto Lauri: Ich glaube, das passt. Ich habe etwas gelesen von einem Mann, der die Strahlung der Luftfilter von importierten Autos aus Japan gemessen hat. Er sagte, sie sei circa 300x stärker als durch Tschernobyl, und das sei eine große Unterschätzung. Ich selbst habe berechnet, dass es irgendwo zwischen 300 und 1000 mal schlimmer liegen muss. Mit anderen Worten, es hat eine eigene Größenordnung.
Interviewer: Nach Fukushima haben einzelne Leute hier in Finnland über 350-fache Strahlenwerte gemessen. Welchen Einfluss hat dieser Störfall auf die Menschen, die hier leben? Kommt die Strahlung bis hierher?
Arto Lauri: Ich habe über die Situation hier wenig Informationen. Aber ich habe von verschiedenen Leuten gehört, dass die Strahlungskurve erheblich stieg nach dem Unfall, auf ungefähr 150%. Das heißt, sie stieg eindeutig, aber nicht so hoch wie nach Tschernobyl, weil wir hier auf der anderen Seite der Welt sind. Doch wenn man bedenkt, dass die Werte am abgelegendsten Ort auf der Welt um 50% anstiegen, muss die Situation in Fukushima schrecklich sein.
Interviewer: STUK hat mitgeteilt, dass die Strahlungswerte in Finnland und Europa so klein gewesen seien, dass keine Schutzmaßnahmen nötig gewesen seien. Würden Sie dem zustimmen?
Arto Lauri: In Tschernobyl gab es einen Forscher, nach dessen Theorie ein inhaliertes Plutonium-Atom seinen Träger früher oder später töte. Und dort sind 4 Reaktoren mit 85000kg Uran zerstört worden und in die Atmosphäre verbrannt. In Tschernobyl waren es 800kg Uran.
Interviewer: Hätten sich die Behörden anders verhalten sollen? Hätten wir gewarnt werden sollen, oder wollten sie einfach keine Panik auslösen?
Arto Lauri: Nein, das ist eine Frage der Höhe der Bestechungsgelder, wie STUK handelt. Zum Beispiel in Japan hätte man sofort weiträumige Evakuierungen vollziehen müssen, wahrscheinlich die ganze Insel. Dann wurden in Europa die Strahlengrenzwerte für Lebensmittel auf das 20-fache erhöht, in den USA sogar noch höher. Sie haben alle möglichen und unmöglichen Fehler begangen, und sie tun das mit Absicht. Vielleicht ist ihr Ziel, die Bevölkerung zu reduzieren. Man hat berechnet, dass durch Tschernobyl eine Million Menschen starben. Und wenn dieses Unglück 300-1000mal schlimmer ist, könnten wir eine Anzahl von Menschen, die der Gesamtbevölkerung Europas entspricht, verlieren. Und der Großteil dieser Todesfälle hätte vermieden werden können, wenn etwas Konkretes getan worden wäre.
Interviewer: Als Letztes würde ich Sie gern fragen: Haben wir in Finnland ein Strahlenrisiko? Wenn ja, wie können wir schädliche Auswirkungen minimieren?
Arto Lauri: Wir brauchen das Modell Deutschlands, die Nuklearindustrie muss weltweit heruntergefahren werden. In Frankreich brennen einige Reaktoren, und circa 10 in Amerika. In Japan sind 36 Reaktoren zerstört. Sie knallen wie Feuerwerk auf der ganzen Welt.
Interviewer: Warum explodieren so viele?
Arto Lauri: 2008 stoppte Russland die Produktion von Uran, ein großer Teil des weltweiten Angebotes war weg. Drei Vorwarnungen gaben sie darüber aus. Europa wollte das nicht glauben, und dann fragten sie sich, wo werden wir jetzt das Uran herbekommen? Areva teilte mit, sie hätten noch überschüssiges Uran aus den Brütern in Sellafield und Superphenix, das 6% Plutonium enthält. So exportierten sie den größten Teil davon nach Japan - ürsprünglich war das Atommüll infolge des START-Vertrages - und die steckten das in ihre Reaktoren. Und als sie dann irgendwann die Reaktoren öffneten, stoppte keiner von ihnen.
An diesem Punkt begann die Katastrophe, und dieses Uran wurde auf der ganzen Welt benutzt. Die Wärme- und Dampfentwicklung der Reaktoren ist 3x so hoch wie sonst, und der Raum innerhalb der Reaktoren ist dafür zu klein. "Atom-Anne" Lauvergeon (CEO) wurde bei Areva entlassen, weil sie dieses Uran für gut befand und es auf den Markt drückte. Ich habe gehört, dass keiner mehr diesen MOX-Brennstoff kaufen will und dass Areva am Ende ist.
Und das ist einer der Hauptgründe für diese Katastrophe, dass der Brennstoff ungeeignet war und verantwortungslos benutzt wurde. Die IAE [Internationale Energieagentur] billigte diesen Brennstoff. Das ist der Grund, warum Reaktoren auf der ganzen Welt explodieren, und sie versuchen, die Tatsachen vor uns zu verstecken. Vor eineinhalb Monaten hatten sie sogenannte "Transducer-Feuer" in Frankreich, und die Kraftwerke stoßen immer noch Rauch aus.
Interviewer: Offensichtlich gibt es nach dieser Katastrophe ein weltweites Erwachen über die Risiken der Atomenergie, und dass wir sie abschaffen sollten.
Arto Lauri: Einstein sagte auf seinem Totenbett, dass die Nuklearindustrie ihre Anwender töten werde, es gebe keine andere Möglichkeit. Die Zeit rennt und wir sind an dem Punkt angekommen, wo wir sie loswerden müssen. Wir müssen dem Beispiel Deutschlands, Österreichs, Norwegens, Dänemarks, Italiens, Irlands folgen, die alle dabei sind, den Einsatz von Nuklearenergie aufzugeben. Deutschland geriet in Panik und fuhr 9 Reaktoren herunter, nachdem sie feststellten, dass sie den gleichen Brennstoff benutzten wie die Japaner.
Hier in Olkiluoto [er zeigt auf das AKW] haben sie in beiden Reaktoren anscheinend 20% dieses unauslöschbaren MOX-Brennstoffes. Das ist vollkommen illegal, er enthält Plutonium und ist tödlich, und niemand spricht darüber. Sie haben Probleme in beiden Reaktoren, in Reaktor 1 sind Lager gebrochen, und sie haben 20 Megawatt Leistung verloren aufgrund tektonischer Aktivität. Im Reaktor 2 hat der Generator gebrannt. Der KPRS Cargo, der eine Million Kilo Atommüll enthält, wird gerade saniert. In Japan sind vier solcher Cargos explodiert, also vier Reaktoren und vier Cargos.
Interviewer: Ja, vielen Dank für das Interview.
Nachtrag: Arto's Anti-Atom-Blog wurde vom finnischen Blog-Service Uusi Suomi entfernt. Auch der Anti-Atom-Blog von Henri Lentonen (den er aber wieder aktivieren konnte) wurde gelegentlich entfernt. Unterhalten Sie sich mit uns auf Facebook. Suchen Sie nach der "Totuus ydinvoimasta, sen salattu todellisuus"-Gruppe (nur in Finnisch). Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen.
[Übersetzung vom Silber-Engel]
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