"Wir nehmen's in Kauf, weil wir käuflich sind."
[ Der Seher in: 'Der Rattenfänger' ]


"Papa, was heißt denn „bankrott“?"

Bank-rott, na ja, das ist, wenn man seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann.

Haben wir denn Schulden und können wir die zurückzahlen?

Doch, wir haben Schulden. Ungefähr soviel, wie ich in fünf Jahren verdiene.

Du müsstest also fünf Jahre nur für die Bank arbeiten, damit wir keine Schulden mehr haben?

Eher für deren Sparer - aber das geht natürlich nicht. Wovon sollten wir denn in dieser Zeit leben?

Der Rattenfänger

Müssen wir denn für die Schulden Zinsen zahlen, wenn wir schon nichts zurückzahlen?

Na ja, pro Jahr müssen wir drei Monatsgehälter Zins zahlen.

Papa, dann geht ja ein Viertel von dem Geld, was Du verdienst, an die Bank; und dann hast du noch nichts abbezahlt.

Na ja, das ginge ja noch; aber wir müssen ja auch noch für die Pflege der Großeltern etwas zuzahlen; so etwa vier Monatsgehälter im Jahr.

Papa, dann sind ja von deinem Jahresverdienst sieben Monatsgehälter nur für Zinsen und für die Großeltern weg?

Na ja, für die Leute, die aufpassen, dass uns die bösen Nachbarn nicht überfallen, müssen wir nochmals eineinhalb Monatsgehälter abzweigen.

Aber Papa, können wir das nicht einsparen; die bösen Nachbarn sind doch nicht mehr da.

Na ja, die sind zwar weg, aber am Hindukusch gibt's noch ein paar böse Leute. Da heißt es schon aufpassen!

Papa, dann müssen wir also jedes Jahr achteinhalb Monatsgehälter für Zinsen, für die Großeltern und für die Wächter bezahlen; da bleiben uns ja nur noch gut drei Monatsgehälter für die ganzen zwölf Monate übrig. Und davon sollen wir leben, Sachen kaufen, die Schule bezahlen, die Wohnung reparieren und vielleicht noch was zurücklegen? Das geht unmöglich!

Doch! Ich habe schon eine Idee: Wir leihen uns erstmal fünf Monatsgehälter; dann haben wir zwar fast sechs Jahresgehälter Schulden, aber irgendwie müssen wir das nächste Jahr überstehen. Und ich kann dein Taschengeld erhöhen und Oma und Opa bekommen auch etwas mehr.

Fast hätte ich es vergessen: Wir haben dem Onkel, der viel Geld im Spielcasino verzockt hatte, eine Bürgschaft von sechs Monatsgehältern gegeben. Und der Tante in Griechenland nochmals gut sechs Monatsgehälter. Das macht zusammen etwas mehr als ein Jahresgehalt. Hoffentlich schaffen es die beiden, aus ihren Schulden zu kommen; dann brauchen wir das Geld nicht zu zahlen! Übrigens ist gerade ein Brief aus Spanien gekommen...

Papa, wir sind bankrott!!

....hmm - da wären wir aber nicht die einzigen. Sieh mal, bankrott ist man doch nur, wenn die anderen dahinterkommen - äh, ich meine, man ist doch solange nicht bankrott, solange die anderen denken, dass man weniger bankrott ist als sie selber - was rede ich da...

Kennst du jemanden, der nicht bankrott ist?

Naja, das kann man nie so genau wissen...

Gibt es eigentlich jemanden, der nicht bankrott gehen kann?

...tja...

[Diese Frage konnte der Papa leider nicht beantworten, doch der aufmerksame Leser hat inzwischen erfahren, dass es genau Einen gibt - besser gesagt Eine.]

Papa, ist etwa die ganze Welt bankrott??